Mit doppeltem Boden: Fassbinders Happy Ends und Hollywoods Hoffnung.

in: TEXT+KRITIK . Zeitschrift für Literatur 103 (Dezember 2015) S. 54-62. ///

9783869164366_cover… Wir sehen somit in dem verlogen-wahren Happy End von „Mutter Küsters’ Fahrt zum Himmel“ genau jene vertrackte Verschränkung von Ernüchterung und gleichwohl bewahrter Hoffnung am Werk, welche Chris Tedjasukmana bei Fassbinder interessiert, wenn er dessen Festhalten an der Utopie „auch und gerade im Moment ihrer Erschöpfung“ untersucht: In der Betrachtung von Fassbinders Filmen wird der affizierte Betrachter, so Tedjasukmana, befähigt „den Faden der gescheiterten Vergangenheit in der Gegenwart einerseits aufzugreifen, andererseits ihn der Vergangenheit zu entreissen und anders weiterzuspinnen.“ Entsprechend führt das Happy End von „Mutter Küsters’ Fahrt zum Himmel“ gerade in seiner Unglaubwürdigkeit und schieren Kontingenz vor, dass das Ende letztlich noch gar nicht feststeht. Der Schluss ist nie eindeutig, sondern mindestens zwiespältig: Nicht nur, dass Fassbinders Film über zwei Alternativenden verfügt, auch diese sind noch in sich selbst mit doppeltem Boden versehen. Diese immer weiter sich fortsetzende interne Spaltung ähnelt jener Denkfigur der Puppe in Puppe, in welcher Wilfried Wiegand das Hoffnungsvolle bei Fassbinder sieht: „Die Puppe-in-der-Puppe-Dramaturgie mit ihrer gleichsam in die Unendlichkeit gerichteten Perspektive ist also kein Ausdruck der Hoffnungslosigkeit, sondern gerade der Sehnsucht, der Hoffnung: sie ist die Form, die dem Denken der Utopie entspricht.“ In Fassbinders gespaltenen Schlüssen bleiben die Ausgänge der Geschichte offen…

Band erhältlich unter: http://goo.gl/L8NbES